Theodor

Essen-Burgaltendorf

st 1968, a/u

KöhlerPhotoArt

„Das hier war bestimmt die Zeche Theodor“, sagte Guido, der im Frühjahr 2005 mit mir die Foto-Tour unternommen hatte. Er erklärte mir, er habe es anhand seines alten Städteatlas herausgefunden. Erstaunt blickte ich auf den schlichten Ziegelbau direkt an der Straße, in dem sich eine Weinhandlung befand. Und unmittelbar dahinter ein Abhang. „Ja, ja, dein Städteatlas ... du willst mich wohl vergackeiern?!“ Ich hattte ein bekanntes historisches Foto der Zeche Theodor im Sinn, auf dem eine riesige Kohlenwäsche, ein Kornfeld und ein Pferdegespann zu sehen war. „Die Zeche Theodor, die gibt's längst nicht mehr – und außerdem: Wo bitte soll hier ein Fördergerüst gestanden haben?“ Dann gingen wir den Charlottenberg hinunter, um einen weiteren unspektakulären Gebäudekomplex am Waldrand zu inspizieren. „Das hier muss die Zeche Theodor sein“, meinte Guido. „Ich denke, da waren wir gerade eben?“ sagte ich. Und auch dieses Objekt sah eigentlich so gar nicht nach Bergbau aus. Ein Fensterbauer war zuletzt hier ansässig gewesen. Im Obergeschoss waren Brandspuren zu sehen. Aber sonst kaum Vandalismus oder andere „industriekulturelle Kollateralschäden“. Der Ort war einfach nur einsam und verlassen. Vielleicht tatsächlich einmal ein Fabrikgebäude. Aber für eine Zeche viel zu kompakt. Ein kleiner Uhrenturm war zu sehen. Ein Indiz? Aber man hätte doch zumindest einmal etwas davon hören müssen?!

Möglicherweise haben die Denkmalschützer genauso gedacht: Zu unbekannt, zu klein und architektonisch einfach zu „modern“ und schnörkellos. Außerdem hat Essen doch schon mit Zollverein eine „richtige“ Zeche, die immerhin mit Stahlfachwerk aufwartet! Vielleicht würde die Zeche Theodor heute noch stehen, hätte man gewusst, wie einzigartig sie war!

Eben genau dieser merkwürdige Bau, den ich gerade noch argwöhnisch betrachtete.

Die Schachtanlage Theodor, gelegen oberhalb des Ruhrtals in Burgaltendorf und benannt nach dem Gruben­vorstands­vorsitzenden der Heinrich-Bergbau AG, Dr. Theodor Mauritz, ging 1935 in Betrieb. Hier hatte es schon einmal Bergbau in Form des Charlotten­stollens gegeben. Nun sollte das alte Bergwerk noch einmal modernisiert werden. In den Folgejahren entstanden eine Brikettfabrik und weitere Nebengebäude einschließlich Kohlenwäsche. Gefördert wurde teilweise aus einer Teufe von mehr als 1000 Metern – die größte Teufe im Bereich des engeren Ruhrbergbaus! Im März 1968 wurde – vier Jahre nach Zusammenlegung mit der Schachtanlage Heinrich – die Förderung eingestellt. Unmittelbar danach wurden Kohlenwäsche und Brikettfabrik abgebrochen, die Schächte verfüllt. Ein Kuriosum war, dass der hinter dem Zechengelände liegende Berghang als Förderhöhe diente. Oben auf dem Hang standen zwei Maschinen­häuser, die Hängebanke der beiden Schächte lagen im Berg und waren vom unten liegenden Zechengelände aus zu erreichen. Hierbei wurden der bereits dort aus Zeiten der ehemaligen zeche Charlotte vorhandene Stollen und mindestens ein weiterer Stollen als Zugänge benutzt.

Die historische Abhandlung erklärt die eingangs geschilderten Merkwürdigkeiten: Die Zeche Theodor lag tatsächlich auf zwei Ebenen, und es gab eben keine Schachthallen und Fördergerüste. Die Kohlenwäsche war tatsächlich längst verschwunden, das Gelände zugewachsen, und im Tal lag nur noch das recht unauffällige Kauen- und Verwaltungs­gebäude, von dem man nie zuvor ein Foto gesehen hatte.

2007 kam dann überraschender­weise der Abbruch. Ein erstes und leider auch letztes Mal gab dieser Ort sein Geheimnis preis. Die ehemalige Verwaltung war – von wem auch immer – irgendwann noch als Wohnung genutzt worden. Der Brand im Dachbereich hatte übrigens keinen allzugroßen Schaden hinterlassen. Auch sonst schien der bauliche Zustand, abgesehen von den Abbruch­vorbereitungen, noch erstaunlich gut. Dann war da die Lohnhalle mit dem hübschen Glasdach, der einzige dekorative, im Stil des Backstein­expressionismus gehaltene Raum, der im merkwürdigen Kontrast zu der ansonsten „sachlichen“ Architektur stand. Im Anschluss daran die Kauen, an deren Decken noch die Rollen der Kleideraufzüge befestigt waren. Dann noch ein paar Werkstatt­gebäude und ein Trafohaus. Das größte Geheimnis lag jedoch im Keller: der Eingang zum Charlotten­stollen, der als Zugang zum Seilfahrts­schacht gedient haben muss. Auch von außen war der obere Teil des Mundlochs zu erkennen. Weitere Stollen waren aber nicht mehr zu finden.

Dies alles und somit ein einzigartiges Kapitel der Bergbau­geschichte ist im Zuge der „Renaturierung" ausgelöscht worden. Es gibt sicher viele schicke Autohäuser und Discount-Baracken, die in der Tat gute Renaturierungs­kandidaten wären; die Zeche Theodor hätte jedoch ein besseres Schicksal verdient gehabt. Immerhin existieren noch die beiden Maschinen­häuser. Eins davon wird als Wohnhaus genutzt, und an besagter Weinhandlung findet man inzwischen eine Denkmaltafel. Ein Bergwerk mit im Berg liegender Hängebank existiert übrigens noch anderweitig, allerdings nicht hierzulande: die in der Fotografen­szene allseits beliebte – und wesentlich bekanntere – Zeche Hasard Cheratte in Belgien, die hoffentlich nicht genauso enden wird wie Theodor.

Oberer Teil

Maschinenhaus

Unterer Teil

Ansicht von Nordwesten
Uhrenturm
Trafohaus
Verfall
Schuppen

Unterer Teil, Abbruchvorbereitungen

Ansicht von Westen
Werkstatt
Werkstatt mit Kranbahn
Trafohaus
Waschkaue?
Haupt-Treppenhaus
Lohnhalle
Glasdach
Kaue
Aufhängung der Kleideraufzüge
Treppenhaus
Raum mit unbekannter Funktion
Ruhe vor dem Abbruch
Mundloch Charlottenstollen

Das Ende